Pflegeeltern können die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung verlangen, § 39 IV Satz 2 SGB VIII. In der Praxis hat diese neu geschaffene Vorschrift jedoch zu unterschiedlichsten Auslegungsergebnissen geführt. So wird von Jugendämtern etwa vertreten, die Beiträge zur Unfallversicherung könnten pro Pflegestelle nur einmal geltend gemacht werden. Es wird ferner teilweise vertreten, dass der Antrag auf Rentenversicherung bereits dann entfalle, wenn die Pflegeeltern zuvor bereits in anderer Weise (irgendeine) Altersvorsorge betrieben hätten. Dem ist das Verwaltungsgericht Köln jetzt entschieden entgegen getreten und hat auch klargestellt, dass Pflegeeltern diese Ansprüche unmittelbar einklagen können.
Im Urteil des VG Köln vom 20.12.2007 (Az. 26 K 4302/06) führt das Verwaltungsgericht aus:
„Die Kläger haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der Beiträge für die von ihnen abgeschlossene Unfallversicherung in Höhe des in dem streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Beitrages von 8,17 EUR monatlich bzw. 13,93 EUR monatlich (…). Die Klägerin hat ferner Anspruch auf hälftige Erstattung der Aufwendungen für die von ihr bei (einer) Lebensversicherungs AG abgeschlossenen fondsgebundene Rentenversicherung (…). Der diesem Begehren entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 29.05.2006 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 11.09.2006 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Die Kläger sind auch selbst Inhaber des geltend gemachten Erstattungsanspruches nach § 39 IV Satz 2 im Gegensatz zu den sonstigen Pflegegeldleistungen nach § 39 II und IV Satz 1 SGB VIII, die nur von den sorgeberechtigten Personen geltend gemacht werden können (mwN). Auch wenn die hier geltend gemachten Erstattungsleistungen von den laufenden Leistungen nach § 39 II Satz 1 und IV Satz 1 SGB VIII umfasst werden, folgt schon aus dem Charakter dieser Leistung als Erstattungsleistung, die nur bei Nachweis entsprechender Aufwendungen der Pflegeperson gewährt werden kann (mwN), dass Anspruchsinhaber insoweit sinnvollerweise nur die Pflegepersonen sein können, die die entsprechenden Versicherungsverträge im eigenen Namen abschließen und denen in eigener Person die Aufwendungen entstehen, die durch den Leistungsträger erstattet werden sollen. Dementsprechend sind die im vorliegenden Klageverfahren angegriffenen Bescheide des Beklagten auch an die Kläger persönlich adressiert.
Rechtsgrundlage für die Erstattung der nachgewiesenen Aufwendung der Kläger zu Beiträge einer Unfallversicherung ist § 39 IV Satz 2 SBG VIII.
Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen liegen hier sowohl hinsichtlich der Klägerin als auch hinsichtlich des Klägers zunächst grundsätzlich vor. Entgegen der Auffassung des Beklagten beschränkt sich die Erstattungspflicht bezüglich der Beiträge zu einer Unfallversicherung nicht auf eine (Haupt) Pflegeperson. Entscheidend ist vielmehr, dass sofern – wie hier – die Kläger als Pflegeelternpaar Leistung in der Familienpflege erbringen, nach der Intention des § 39 IV 2 SGB VIII, Pflegepersonen gegen entsprechende Risiken zu versichern, auch eine Pflegeperson, die einer vollen Erwerbstätigkeit nachgeht jedenfalls für den Zeitraum schutzbedürftig ist, in dem sie als Pflegeperson für das bei ihr untergebrachte Pflegekind zuständig ist, da die von der privaten Unfallversicherung abgedeckten Risiken unabhängig vom zeitlichen Umfang der jeweiligen Betreuung durch die jeweilige Pflegeperson im Rahmen der Familienpflege bestehen. Es spielt somit bei der Übernahme der Beiträge zur Unfallversicherung durch den Kostenträger keine Rolle, ob im Rahmen der Familienpflege beide Pflegepersonen zeitlich im gleichen Umgang die Pflegekinder betreuen oder aber eine Pflegeperson diese Aufgaben überwiegend übernimmt, während die andere in vollem Umfang erwerbstätig ist (mwN).
Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung ergibt sich aus § 39 IV Satz 1 SGB VIII, dass auch insoweit nur die angemessenen Aufwendungen erstattungsfähig sind. Der Begriff der Angemessenheit stellt insoweit einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der vollen Überprüfung des Verwaltungsgerichts unterliegt (vgl. Wiesner SGB VIII § 39 Rdnr. 32 d).
(…) In Ermangelung sonstiger für den hier vorliegenden Fall der Familienpflege greifbarer Bezugsgrößen bleibt somit nur die Möglichkeit, die Frage der Angemessenheit im Hinblick auf die konkret im Einzelfall in Rede stehende private Unfallversicherung zu beurteilen (…).
Die Klägerin hat zudem gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf die hälftige Erstattung der nachgewiesenen Aufwendungen für die von ihr bei der Lebensversicherungs AG abgeschlossene private Rentenversicherung (…).
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann dem Anspruch nicht entgegen gehalten werden, dass der Nachweis zu führen sei, dass nicht durch die frühere Erwerbstätigkeit bereits ein Anspruch auf eine angemessene Altersversorgung mitbegründet worden ist. Derartiges lässt sich weder dem Wortlaut der Bestimmung des § 39 IV Satz 2 SGB VIII entnehmen, noch wäre dies mit dem Sinn und Zweck der Bestimmung, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass Pflegeeltern ggfs. nicht wie vor Aufnahme des Pflegeverhältnisses in der Lage sind, Vorsorge für das Alter zu betreiben, zu vereinbaren.
Hinsichtlich der Frage der Angemessenheit der erstattungsfähigen Aufwendungen ist aus Sicht des Gerichts zunächst zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber offensichtlich keine Festlegung der Pflegeperson auf eine bestimmte Form der Altersvorsorge beabsichtigt hatte, so dass neben einer freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung vielfältige Möglichkeiten der Altersvorsorge durch den Jugendhilfeträger zu berücksichtigen sind (…). Bei dieser Sachlage erscheint im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Art der Alterssicherung und der Angemessenheit der Höhe des zu zahlenden Beitrages zur Alterssicherung gemacht hat, ebenso wie bei der privaten Unfallversicherung der Gedanke maßgebend, ob die vor der Aufnahme des Pflegeverhältnisses betriebene Alterssicherung, ggfs. unter Berücksichtigung der bisherigen Einkommensverhältnisse noch als durchschnittliche Form der Altersvorsorge angesehen werden kann oder aber ob der Art der Alterssicherung oder der Höhe der Beiträge nach eine Form der Altersvorsorge betrieben wurde und wird, die deutlich das normale Maß überschreitet (…). Dem gegenüber steht dem Kläger (dem Pflegevater) kein Anspruch auf hälftige Erstattung der angemessenen Beiträge zu einer Alterssicherung zu. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung bei der hälftigen Erstattung der Beiträge für eine angemessene Alterssicherung ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die betreuende Person auf eine (vollzeitige) Erwerbstätigkeit verzichtet, um das Pflegekind bzw. die Pflegekinder zu betreuen und deshalb keine oder wegen Teilzeit–Erwerbstätigkeit nur reduzierte Rentenanwartschaften erwirbt. Die Erstattung dient damit ausschließlich der betreuenden Pflegeperson als Anreiz für die Aufnahme eines Pflegekindes, so dass der Anspruch pro Pflegefamilie nur einmal anfallen kann“.
Anmerkung:
Die Entscheidung des VG Köln ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam:
1. Ausdrücklich wird den Pflegeeltern die Klagebefugnis zugestanden, auch wenn diese nicht Vormund sind. Dies wird bei der Pflegegeldzahlung anders gesehen; diese darf grdsl. Nur vom Sorgerechtsinhaber eingeklagt werden. Pflegeeltern können diese Leistungen also einklagen, wenn sie ihnen nicht (vollständig) gewährt wird.
2. Das VG stellt ferner klar, dass die Unfallversicherung beiden Pflegeeltern zuzugestehen ist und nicht nur einem Pflegeelternteil.
3. Die Alterssicherung soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass Pflegeeltern nicht wie vor Aufnahme des Pflegekindes Altersvorsorge betreiben können. Daher ist die hälftige Altersvorsorge auch dann zu erstatten, wenn die Pflegeperson zuvor schon Vorsorge betrieben hat. Dies lässt den Anspruch nicht entfallen.
4. Hinsichtlich der Höhe der zu erstattenden Leistung ist nach Ansicht des Gerichtes der konkrete Einzelfall auf seine Angemessenheit hin zu prüfen.
5. Nach Auffassung des VG Köln ist die (hälftige) Alterssicherung jedoch nur einmal pro Pflegestelle zu gewähren.
Quelle: RA Steffen Siefert